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Mittwoch, 22. März 2017

"Sunset Park" von Santino Hassell

New York … und die Menschen, die die Stadt ausmachen!
Raymond ist zuerst stinksauer, als er erfährt, dass sein Bruder Michael mit seinem Geliebten Nunzio zusammenziehen und das elterliche Haus vermieten will. Deshalb muss er sich nämlich eine eigene Wohnung suchen. Und einen Job, um sie zu bezahlen. Blöd nur, dass es nicht gerade seine Stärke ist, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen oder eine gut bezahlte Stelle auch zu behalten, wenn er zufällig mal eine gefunden hat.
Als David, der schwule Arbeitskollege seines Bruders, ihm vorschlägt eine WG zu gründen, zögert Ray nicht lange. Erstens mag er David, auch wenn der sich manchmal wie eine menschliche Klette aufführt, und zweitens … wäre es eine perfekte Gelegenheit endlich einmal auszuprobieren, ob Sex mit Männern ihm auch in der Praxis so gut gefällt wie in den Videos, die er sich heimlich anschaut.
Alles in allem könnte es eine perfekte Freundschaft mit gewissen Vorzügen sein, aber leider macht die raue Wirklichkeit an den Türen der WG nicht halt. Sind die Ansprüche, die Ray und David an ihr Zusammenleben und ihre Zukunft stellen, zu unterschiedlich?

Seit „Sutphin Boulevard“ bin ich ein absoluter Fan von Santino Hassell und seinen atomsphärisch dichten „Geschichten aus den fünf Stadtbezirken“ von New York. „Sunset Park“ knüpft zwar direkt an die erste Story an, kann aber auch durchaus als Stand Alone gelesen werden. Wie schon im ersten Buch schafft es der Autor, den Leser von der ersten Seite an zu packen und nicht mehr loszulassen, bis man weiß, ob und wie Ray und David sich zusammenraufen können.

Mich fasziniert, dass ich ein Buch nicht aus der Hand legen konnte, obwohl ich die beiden Helden am Anfang nicht einmal besonders mochte. Raymond lässt sich treiben, hat keine Ziele und scheint sich auch ansonsten vor jeder Entscheidung zu drücken. David … kommt einem in dem ersten Buch nicht gerade als der sympathischste Mensch der Welt vor. Es gelingt Santino Hassell aber schnell, die Emotionen und Ängste der beiden greifbar zu machen. Interessanterweise entdeckt man ihre Stärken erst nach und nach, ganz so als würden sie erst in dem Moment sichtbar, in denen sich die Männer darüber klar werden, wo sie liegen. Ray und David sind zwar keine Teenies mehr, aber erst im Laufe der Geschichte werden die beiden wirklich erwachsen und lernen für sich, ihre Wünsche und Hoffnungen einzustehen. Sie haben sich beide auf ganz unterschiedliche Art treiben lassen und finden nun ihren Platz im Leben.

Die Beziehung der beiden ist auf eine ganz eigene Art sinnlich und körperbetont, gerade weil für Ray schwuler Sex Neuland ist. Zwar vergnügt er sich schon lange damit, zuzuschauen, selbst ausprobiert hat er ihn aber bisher noch nicht. Interessanterweise scheint David, der sich oberflächig betrachtet sehr offensiv gibt, zögerlicher zu sein. Auch wenn Ray zuerst noch herausfinden muss, was genau er mit seinem Leben machen will, auf sein Selbstbewusstsein und darauf, wie wohl er sich in seinem (^^ absolut heißen!) Körper fühlt, hat das wenig Einfluss.

Auch in „Sunset Park“ gibt es wieder eine Menge New Yorker Lokalkolorit, weitab der Touristenrouten. Diesmal geht es allerdings weniger um die verschiedenen Orte in der Stadt, als vielmehr um die unterschiedlichen Kulturen, die dort leben und teilweise stark voneinander abweichende Lebensweisen und / oder – einstellungen haben. Dabei ist Hassell nicht plakativ, sondern beherrscht "Show, don't tell" in Reinform. Man hat das Gefühl, keinen Moment das Gefühl belehrt zu werden, im Gegenteil mal lernt die Menschen wirklich kennen. Sie werden in ihrer Vielfalt sehr greifbar, nicht nur die Hauptcharaktere, sondern auch Nebenpersonen, wie z.B. Rays ehemaliger Chef Rolly. Hassell zeigt dabei nicht die Glitzerwelt der oberen Zehntausend, sondern die bunte Mischung aus hart arbeitenden Männern und Frauen in allen möglichen Jobs, die jeden Tag versuchen in der Stadt, die niemals schläft irgendwie zu überleben. „Sunset Park“ führt den Leser nicht - wie „Sunset Boulevard“ – in die Clubs und das Nachtleben der Stadt, sondern zeigt das alltägliche Leben in den lebhaften Straßen, in den Cafes, auf den öffentlichen Plätze und in den Parks, in denen die Menschen ihre Freizeit verbringen.

Das Buch ist sicher keine typische Romanze und ich weiß nicht so ganz genau, wo ich es einordnen soll. Es ist aber auf jeden Fall wirklich lesenswert. Wie Santino Hassell im Nachwort zugibt, glaubt er nicht an perfekte Beziehungen. Gerade das macht seine Geschichten so unheimlich spannend. Die Wege, die seine Helden gehen, sind nicht glatt und einfach, sondern verschlungen und voller Stolperfallen. Wie das echte, meist eben unperfekte, Leben halt …

Fazit: Von mir gibt es wieder begeisterte 5 Punkte und eine Leseempfehlung. Ich bin jetzt schon auf den nächsten Band gespannt. Natürlich habe ich schon mal gespinkst um wen es geht und festgestellt, dass ich die Helden den nächsten Buches … kein bisschen leiden kann. Bisher zumindest. Aber Santino Hassell hat mich schon zweimal überrascht, dazu verführt, die Bücher zu verschlingen mir Menschen nahegebracht, die ich eben nicht auf den ersten Blick mochte. Das können nicht viele Autoren schon von sich behaupten!


Haben wollen?
 Leider liegen "Sutphin Boulevard (Band 1, Michael und Nuzio)
und "Sunset Park“ (Band 2. Raymond und David) momentan nur als Taschenbuch vor.

Ich bin ein bisschen erstaunt, wie unterschiedlich man ein Buch sehen kann. Ganz anders als ich haben "Gaylesen" und "Sabrina's Welt der Bücher" die Geschichte beurteilt.
Ich glaube, die Charaktere von Santino Hassel liebt man, oder man hasst sie. Gleichgültig lassen sie niemanden, der sie liest.


Bildquelle: amazon


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